Die Gesichtsmacher – massgeschneiderte Rekonstruktion
13. Dezember 2023Was, wenn nach einem Unfall oder einer Tumorerkrankung das Gesicht entstellt ist? Dann arbeiten am KSA die Teams aus der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und der plastischen Chirurgie Hand in Hand.
- Autor / Autorin Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Philipp Metzler
- Lesedauer ca. 4 Minuten
- Themen Bewegung
«Ich bin sportlich, jung, lebe gesund und dann so was», erzählt Stephanie Zihlmann. Was ist geschehen? Im Frühling 2023 hat ihr Zahnarzt festgestellt, dass bei ihr ein Zahn droht, den Kiefer zu durchbrechen. Er hat sie für weitere Untersuchungen ans KSA nach Aarau verwiesen. Nach der Biopsie und dem CT hatte sie die Diagnose: ein Tumor. «Zuerst hielt ich mich am Positiven fest, da es ein gutartiger Tumor war», so die 34-Jährige. Doch der Schreck war gross, als das Ausmass der Behandlung klar wurde. Ein grosser Teil ihres Unterkiefers, inklusive Zähne, musste entfernt und rekonstruiert, sogar der Nerv ersetzt werden.
Gesichtsrekonstruktionen – eine Spezialdisziplin am KSA
Prof. Dr. med. Dr. dent. Philipp Metzler, Leitender Arzt Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, und PD Dr. Holger Klein, Leitender Arzt Plastische Chirurgie und Handchirurgie, haben Stephanie Zihlmann behandelt. Die beiden arbeiten zusammen, wenn Gesichter durch Unfälle oder Tumorerkrankungen entstellt werden. «Mund, Kiefer und Gesicht sind wichtig für das Essen und Schmecken von Speisen, Sprechen, aber auch für die Mimik und das Aussehen», erzählt Philipp Metzler.
Muss bei einer Person nach einer Tumorerkrankung Gewebe entfernt werden, so kann dies funktionell und ästhetisch zu grossen Defiziten führen. Zudem sind Betroffene in der Gesellschaft stigmatisiert. «Unser Ziel ist es, diesen Menschen so schnell wie möglich wieder ihre ursprüngliche Lebensqualität auf allen Ebenen zurückzugeben», so Metzler.
Um ein Gesicht zu rekonstruieren, müssen die Ärzte die unterschiedlichen Gewebearten wie Muskulatur, Knochen, Nerven, Haut und Fettgewebe berücksichtigen. «Ziel ist, die ursprüngliche Form, Funktion und Ästhetik mit Gewebe von anderen Körperpartien wiederherzustellen», sagt Holger Klein.
Exakt geplante und digitale Vorarbeit
Die Operation ist nur ein Teil der Behandlung. Die Ärzte erstellen erst ein Behandlungskonzept, dann folgt die individuelle Planung. Das ist zeitintensiv, aber ein klarer Mehrwert für Betroffene. Die Operationen sind deutlich kürzer, das Entfernen des Tumors und die Rekonstruktion entspricht der exakten Planung. Somit ist die post-operative Rehabilitation schneller, das funktionelle und ästhetische Ergebnis besser.
Bei Stephanie Zihlmann ersetzt jetzt der Wadenknochen den Kieferknochen. Philipp Metzler hat mit der digitalen Planung das Ausmass des zu entfernenden Kieferknochens sowie des Wadenknochens für die Rekonstruktion festgelegt. Durch 3-D-Modelle und Schnittschablonen lässt sich die Planung in den Operationssaal übertragen. Mitte Juni operierte das interdisziplinäre Team die Patientin, entfernte den Unterkiefer und rekonstruierte ihn mit dem Wadenbein. Den mitentfernten Nerv, der für die Sensibilität der Unterlippe zuständig ist, ersetzte das Team mit einem anderen Nerv vom Unterschenkel. Acht Stunden dauerte der Eingriff.
Nach einer Woche konnte Stephanie Zihlmann das Spital verlassen. Die Physiotherapiepraxis bei ihr im Ort, die sie wegen des operierten Unterschenkels aufgesucht hat, verfügt auch über ein Fitnesscenter. «Das Training hat mich schnell wieder auf die Beine gebracht», sagt sie. Heute kann sie wieder problemlos springen und im Volleyball blocken. «Es ist erstaunlich, dass das Schienbein das Gewicht allein halten kann und ich keine Einschränkungen habe», erzählt sie. Das hat der bewegungsbegeisterten Frau am meisten Sorge bereitet.
Eingriff kaum sichtbar
Während sie am Bein eine beachtliche Narbe hat, ist diese im Gesicht unter dem Kinn versteckt und kaum sichtbar. «Mittlerweile ist alles so gut verheilt, dass man es nur sieht, wenn man es weiss», freut sie sich. Der Kiefer muss noch ein paar Monate weiter verheilen. Danach erhält sie die Zahnimplantate. «Das Ganze hat mich demütiger gemacht», sagt Stephanie Zihlmann und ergänzt: «Ich bin sehr dankbar, in einem Spital mit solchen medizinischen Möglichkeiten behandelt zu werden.»
Ein eingespieltes Team
Dank kurzen Wegen und der gemeinsamen, interdisziplinären Expertise bieten die beiden Spezialisten Betroffenen Konzepte an, die den Ansprüchen an Form, Funktion und Ästhetik im Gesicht in höchstem Masse gerecht werden. Am KSA Aarau gibt es das komplette Paket an Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie Plastischer Chirurgie unter einem Dach vereint. Das schätzen die Patientinnen und Patienten. Holger Klein und Philipp Metzler arbeiten seit mehreren Jahren zusammen und behandeln 30 bis 40 Betroffene pro Jahr. «Um diese Kompetenz zu erwerben, muss man sich über viele Jahre in Theorie und Praxis intensiv mit der Kopf-/Halsrekonstruktion auseinandersetzen», so Holger Klein.