Forschungsprojekte

Forschung am Kantonsspital – Zwischen Alltagsrelevanz und wissenschaftlicher Exzellenz

26. März 2025

Am KSA haben wir den Anspruch, allen Menschen jederzeit eine exzellente medizinische Behandlung anzubieten. Damit wir dieses Ziel auch in Zukunft sicherstellen können, brauchen wir am KSA Weiterbildung, aber auch Forschung. Diese beiden Punkte sind auch ein Kernprinzip unserer neuer Unternehmensstrategie 2025. Auch wenn wir uns bezüglich der Forschungsqualität nicht vor den Universitätsspitälern verstecken müssen, steht bei uns weniger die Grundlagenforschung denn die translationale Forschung im Fokus. In der translationalen Forschung werden die in der Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse in den klinischen Alltag übersetzt, also ans Patientenbett gebracht. Damit gestalten wir die Medizin der Zukunft mit und sorgen für eine bessere Behandlungsqualität unserer Patientinnen und Patienten.

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Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Am Kantonsspital werden wir immer wieder mit der Frage konfrontiert, warum wir als Zentrumsspital überhaupt Forschung betreiben. Braucht es das wirklich?

André Rotzetter
Ich komme aus einer forschungsaffinen Familie – meine Schwiegertochter arbeitet in der Demokratieforschung, meine Tochter im Bereich soziale Arbeit und ich habe selber in verschiedenen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens geforscht, vor allem als Aktionsforscher, um begleitend Veränderungen herbeizuführen. Forschung braucht es, aber für mich ist klar: Im Kantonsspital geht es nicht um universitäre Grundlagenforschung, sondern um Forschung, die im Alltag nutzbar ist.

Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Genau, wir machen translationale und angewandte klinische Forschung mit dem Fokus auf Patientinnen und Patienten und dem Ziel, die Patientenbetreuung zu verbessern. Die Grundlagenforschung überlassen wir grösstenteils den Universitäten. Wir wollen zeigen, dass unsere Forschung möglichst direkt den Patientinnen und Patienten zugutekommt und die alltägliche Versorgung verbessert. Leider findet dies in der Öffentlichkeit oft zu wenig Aufmerksamkeit. Was könnten wir tun, um dies besser sichtbar zu machen?

Severin Lüscher
Forschung soll konkret zum Vorteil unserer Patientinnen und Patienten beitragen und immer auf hohem Niveau stattfinden. Grundlagenforschung kann prinzipiell überall auf der Welt stattfinden. Wir sollten uns aber hier auf Forschungsprojekte fokussieren, die die Versorgung der Patientinnen und Patienten hier bei uns spürbar verbessern und anwendungsorientiert sind. Bezüglich Sichtbarkeit ist entscheidend, immer wieder mit einer guten, verständlichen Geschichte aufzutreten, die sowohl die Öffentlichkeit als auch die Politik anspricht. Da besteht noch Potenzial. Wenn junge Forschende ihre Fragestellungen klar und prüfbar aufbereiten, steigt auch das Interesse.

André Rotzetter
Es ist sicher wichtig, die Forschung besser sichtbar zu machen. Vieles wird vom normalen Bürger, der normalen Bürgerin vermutlich nicht wahrgenommen. Nach meiner Einschätzung braucht es zwei Ebenen der Sichtbarkeit: Zum einen muss die Forschung in einer Form aufbereitet werden, dass auch Laien den Nutzen erkennen, und zum anderen soll sie genügend Ausstrahlungskraft haben, um Nachwuchstalente anzuziehen. Es ist mir bewusst, dass Mittel für die Forschung schwer zu beschaffen sind; der Wettbewerb um Fördermittel ist enorm und setzt einen hohen Einsatz voraus.

Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Der Öffentlichkeit ist wahrscheinlich auch nicht bewusst, was ohne Forschung nicht mehr möglich wäre. Wir könnten keine Facharztweiterbildungen mehr anbieten und unsere Schwerpunkte für die hochspezialisierte Medizin (HSM) würden wegfallen. Die GWL (Gemeinwirtschaftlichen Leistungen) sind dabei unverzichtbar – als diese Mittel von 2017 bis 2019 ausblieben, wurde der Forschungsbetrieb deutlich beeinträchtigt.

Severin Lüscher
Es ist uns bewusst, dass das KSA auf diese Mittel angewiesen ist. In Sparrunden besteht die Gefahr, dass in der Politik die GWL als flexible Spielwiese betrachtet werden. Eine verlässliche, klar zugesicherte Finanzierung ist aber essenziell, um langfristig innovative und praxisrelevante Forschung zu betreiben.

Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Wir sind bemüht, unser Netzwerk zu erweitern; wir arbeiten auch mit Stakeholdern wie Innosuisse und dem Hightech-Zentrum Aargau zusammen, um unseren Forschenden Zugang zu Fördermitteln zu bieten. Wir möchten mit den eigenen Mitteln im Sinne einer Anschubfinanzierung die Chancen auf zusätzliche Drittmittel erhöhen. Dennoch bleibt immer ein Missverhältnis zwischen geplanten Projekten und vorhandenen Forschungsgeldern.

Severin Lüscher
Neben der Finanzierung ist aber auch die interne Zusammenarbeit entscheidend. Zwischen den Kliniken gibt es in meiner Aussenwahrnehmung gelegentlich Konkurrenzkämpfe, die gemeinsame Projekte behindern. Wenn interdisziplinär gearbeitet wird, kann das nicht nur zu besseren Forschungsergebnissen, sondern auch zu einer optimierten Versorgungsqualität beitragen. Das Beispiel der OPTIMA-Studie in der Medizinischen Universitätsklinik hat doch gezeigt, wie wichtig diese Art von Forschung ist und wie sie ein Spital weiterbringt. Auf dieser Art Forschung sollte das KSA fokussieren, das bringt grossen Nutzen und ist gut vermittelbar.

Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Der Forschungsrat legt grossen Wert auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit und fördert dies auch entsprechend, damit partnerschaftliche Projekte entstehen.

Nun interessiert uns noch, wie Sie den neu gegründeten Verein für Forschung und Innovation im Kanton Aargau beurteilen, der einen Teil Forschungszeit für junge Ärztinnen und Ärzte finanziert. Ist das ein Modell für die Zukunft für die Zusammenarbeit auf kantonaler Ebene?

André Rotzetter
Aus meiner Sicht ist die Zusammenarbeit im Kanton im Gesundheitswesen grundsätzlich gut. Ich unterstütze solche gemeinsamen Aktionen.

Severin Lüscher
Genau, diese Initiative ermöglicht eine begrenzte Freistellung für junge Medizinerinnen und Mediziner, um Forschung zu machen. Schön wäre es, wenn dadurch Synergien entdeckt und genutzt würden. Das lässt sich aber erst in ein paar Jahren evaluieren.

André Rotzetter
Ich möchte nochmals zur ursprünglichen Frage zurück. Kritisch betrachtet kann ich mir nicht vorstellen, dass die knappe Million, die das KSA für die internen Forschungsprojekte vergeben kann, ausreicht, um kompetitive Forschung zu ermöglichen.

Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Diese Bedenken sind berechtigt. Natürlich können wir nicht mit Universitätskliniken mithalten, die ganz andere Budgets zur Verfügung haben. Aber es ist dem Forschungsrat in der Vergangenheit immer wieder gelungen, wichtige und gute Projekte zu fördern und Nachwuchsleute anzuziehen, die ein Interesse an der Forschung haben. Und wenn es über diese Förderung dann gelingt, dass unsere Leute zusätzliche Drittmittel zB beim SNF einwerben, haben wir eine grosse Wirkung trotz des eher kleinen Förderbeitrags. Das sieht man auch an der starken Leistung in der Publikation von Forschungsresultaten aus dem KSA, wenn man das als Faktor für die Leistungsmessung herbeiziehen möchte. Wir geben unseren Mitarbeitenden die Chance, ihre eigenen Projekte umzusetzen und fördern interdisziplinäre Projekte.

Severin Lüscher
Das ist ein wichtiger Punkt. Für Mediziner ist es entscheidend, dass sie nicht nur für den akademischen Titel forschen, sondern echte, innovative Ansätze entwickeln können. Die Herausforderung besteht darin, den Erfolg der Forschung nicht nur an Publikationszahlen oder Impact Factoren zu messen, sondern auch daran, welchen konkreten Nutzen – beispielsweise in Form von Innovationen – sie bringt.

André Rotzetter
Letztlich müssen die Erfolgskriterien so gewählt werden, dass sie den speziellen Anforderungen eines Kantonsspitals gerecht werden. Es geht darum, den Versorgungsalltag nachhaltig zu verbessern und zukunftsfähige Strukturen zu schaffen – nicht darum, universitäre Massstäbe eins zu eins zu übernehmen.

Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Zusammengefasst kann man sagen, die Forschung am Kantonsspital Aarau ist unverzichtbar – sie verbessert die Patientenversorgung, fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit und sichert die Ausbildung von Fachärzten. Es bleibt unsere Aufgabe, dies über erfolgreiche Projekte aufzuzeigen, verständlich zu kommunizieren und auch politisch zu verankern.

Severin Lüscher
Genau. Sie müssen dafür sorgen, dass gute, praxisrelevante Forschung nicht nur intern, sondern auch öffentlich und politisch die Anerkennung erhält, die sie verdient. Wir Gesundheitspolitiker lassen uns jedenfalls sehr gerne weiterhin über Ihre Forschung informieren.

Luzia Jäger und Claudia Gregoriano
Vielen Dank für das Gespräch.