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«Männer, geht unbedingt zur Vorsorge!»

6. Oktober 2023

Christian S. (38) überwand Darmkrebs, kämpft aber bis heute mit den Folgen. Er will Männer mit seiner Geschichte ermutigen, auf ihren Körper zu achten und sich frühzeitig untersuchen zu lassen.

  • Autor / Autorin KSA
  • Lesedauer ca. 5 Minuten
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Christian, vor rund zwei Jahren hast du die Diagnose Darmkrebs erhalten. Wann hast du gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Eigentlich hatte ich schon früh geahnt, dass etwas nicht stimmt, aber ich war nie der Typ, der gleich zum Arzt geht. Meine Beschwerden habe ich lange verdrängt – wie Mann das so macht – und auf den Stress geschoben. Es war zu dieser Zeit so viel los. Meine Freundin hatte gerade erfahren, dass sie schwanger ist, und wir sind mehrmals umgezogen.

 

Welche Symptome hattest du?

Im Becken spürte ich einen Druck und ich hatte immer wieder Bauchkrämpfe. Dann hatte ich einmal Blut im Stuhl. Natürlich habe ich mir gedacht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, «Männer, geht unbedingt zur Vorsorge!» mir aber eingeredet, dass das schon nichts Schlimmes sein wird. So ging das ein halbes Jahr. Ärztlich untersuchen lassen habe ich mich erst, als ich so starke Schmerzen hatte, dass ich nicht sitzen und nicht schlafen konnte.

 

Was ging dir durch den Kopf, als du die Darmkrebs-Diagnose erhieltst?

Nicht viel – ich hatte keine Ahnung, was alles auf mich zukommen wird. Nach dem Gespräch mit dem Arzt habe ich gleich meine Mutter angerufen und wir haben gemeinsam geweint. Sie war völlig aufgelöst. Ich habe mich absichtlich zuerst bei ihr gemeldet; ich wollte meiner Freundin nicht den ersten Schock zumuten.

 

Wie hast du die Zeit danach erlebt?

Mir war einfach alles zu viel. Vor der Operation hatte ich starke Schmerzen, und nach der Operation bin ich mit einem künstlichen Darmausgang erwacht. Der Eingriff war ursprünglich über einen kleinen Hautschnitt im Bauchraum geplant. Die Bauchdecke musste aber weiter geöffnet werden, da in meinem Bauch alles sehr eng war. Obwohl mir der Arzt im Vorgespräch alle Eventualitäten erklärt hatte, habe ich nicht damit gerechnet. Hinzu kam die psychische Belastung. Es hat mich gestresst, dass ich nicht bei meiner Freundin sein konnte. Zum Glück durfte sie zu mir ins Spital kommen, so hatten wir wenigsten noch einige Tage zusammen vor der Geburt unseres Kindes.

 

Wie hast du die Zeit am KSA in Erinnerung?

Abgesehen von meinem schlechten Gesundheitszustand damals kann ich nichts Negatives erzählen. Meine behandelnden Ärztinnen und Ärzte haben mich regelmässig besucht und sich Zeit genommen, mir die Behandlungen verständlich zu erklären. Das Pflegepersonal war super lieb, es hat mich täglich gesehen und begleitet. Auch die Unterstützung von Elena Castro und ihrem Team von der Stomaberatung waren wertvoll für mich. Ich wünschte, die Pflegenden würden in der Gesellschaft mehr Wertschätzung erhalten für ihre grossartige Arbeit. Und, fast hätt ich’s vergessen: das Essen! Selten habe ich so gute Spaghetti Bolognese gegessen (lacht).

Christian S. mit Elena Castro, Teamleiterin der Stomaberatung im KSA Aarau
Christian S. mit Elena Castro, Teamleiterin der Stomaberatung im KSA Aarau

Du wirkst trotz deiner schwierigen Krankengeschichte sehr aufgestellt. Ist das deine Art?

Ja, auf jeden Fall! Ich war schon immer ein positiver Mensch. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich auch zwei Jahre nach der Diagnose mit starken Einschränkungen lebe. Es braucht Durchhaltewillen. Spontan irgendwo hinfahren ist nicht mehr möglich, denn ich muss pro Tag ein bis zwei Einläufe machen, um den Darm zu leeren. Ich bekomme immer noch Morphium-Tropfen und werde voraussichtlich mein Leben lang Tabletten für meine Blase nehmen müssen. Hinzu kommen Erektionsprobleme. Die für die Erektion zuständigen Nervenfasern sind durch die komplexe Operation verletzt worden.

 

Sprichst du mit deinen Freunden über die Erektions- und Blasenprobleme?

Leider nur oberflächlich. Vor schwierigen gesundheitlichen Themen haben viele Männer Angst. Darüber zu reden wird mit fehlender Männlichkeit in Verbindung gebracht. Männer sollen Leistung erbringen: bei der Arbeit, im Sport, im Bett. So will es das traditionelle Männlichkeitsbild. Das ist bei vielen leider noch tief verankert. Ich finde es wichtig, dass auch wir Männer uns über Krankheiten austauschen und vermeintliche Schwäche zeigen können. Aus diesem Grund mache ich den Schritt und teile meine Geschichte

 

Kannst du deiner Krankheitsgeschichte etwas Positives abgewinnen?

Durch meine Geschichte habe ich viel Zeit mit meinem Sohn verbringen können. Ich habe alles miterlebt; die schlaflosen Nächte, die ersten Schritte, die ersten Worte. Das erfüllt mich bis heute.

«Wer sich jetzt Zeit für seine Gesundheit nimmt, muss sich später weniger Zeit für seine Krankheit nehmen.»

Was möchtest du deinen männlichen Mitmenschen mit auf den Weg geben?

Unbedingt zur Vorsorge gehen! Männer denken immer, sie wären wehleidig, wenn sie direkt zum Arzt laufen. Aber manchmal ist es besser, zu handeln. Denn wer sich jetzt Zeit für seine Gesundheit nimmt, muss sich später hoffentlich weniger Zeit für seine Krankheit nehmen. Ich bin sicher, mir würde es heute besser gehen, wäre ich früher zur Kontrolle gegangen. Andere sollen nicht denselben Fehler machen.

Seitliche Ansicht des Beckens von Christian S. Auf der MRT ist der bösartige Tumor im Dickdarm sowie eine Lymphknotenmetastase zu erkennen.
Seitliche Ansicht des Beckens von Christian S. Auf der MRT ist der bösartige Tumor im Dickdarm sowie eine Lymphknotenmetastase zu erkennen.

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