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Thermoablation: neue Hoffnung bei Schilddrüsenknoten

25. April 2025

Schilddrüsenknoten sind weit verbreitet – oft harmlos, aber mitunter störend. Lange galt eine Operation als Standardlösung, doch das Kantonsspital Aarau bietet eine schonende Alternative: die Thermoablation.

  • Autor / Autorin Dr. med. Tim Ohletz
  • Lesedauer ca. 5 Minuten
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Vor knapp drei Jahren spürte Walter G. eine Veränderung an seinem Hals: einen nussgrossen Knoten, der beim Schlucken auf- und abwanderte. «Erst dachte ich, er geht von allein weg.» Doch er blieb – und beeinträchtigte den heute 69-Jährigen zunehmend. «Beim Drehen des Kopfeus blieb er an meiner Luftröhre hängen. Das fühlte sich unangenehm an.»

Gutartige Schilddrüsenknoten: häufig und oft unbemerkt

Die Schilddrüse, eine schmetterlingsförmige Drüse am Hals, produziert lebenswichtige Hormone für den Stoffwechsel. «Rund die Hälfte der Menschen über 50 hat solche Knoten. Meist sind sie harmlos, trotzdem können sie etwa beim Schlucken oder aus optischen Gründen stören», erklärt Dr. med. Joel Capraro, Facharzt für Endokrinologie am KSA.

Früher war eine Operation oft die einzige Lösung – mit der Folge, dass ein Teil oder sogar die gesamte Schilddrüse entfernt wurde. «Das wiederum bedeutete für viele Patientinnen und Patienten eine lebenslange Hormonersatztherapie und das Risiko von Stimmbandproblemen», so Dr. Capraro. Heute gibt es Alternativen. Welche Therapie infrage kommt, hängt von Grösse und Art des Knotens ab. «Bei grossen oder bösartigen Knoten ist die Operation weiterhin der einzige Weg», erklärt Dr. Capraro. «Eine Überfunktion behandeln wir häufig mit einer Radiojodtherapie.» Für gutartige Knoten, die optisch stören oder Beschwerden verursachen, bietet die Thermoablation eine schonende Alternative. 

Vor jeder Behandlung steht eine sorgfältige Abklärung. «Zuerst untersuchen wir den Knoten per Ultraschall auf Grösse und Struktur», erklärt der Endokrinologe. «Danach entnehmen wir eine Gewebeprobe per Feinnadelpunktion, um die Gutartigkeit zu bestätigen. Erst dann entscheiden wir uns gemeinsam mit der Patientin bzw. dem Patienten für eine passende Therapie.»

Die Schilddrüse – eine schmetterlingsförmige Drüse unterhalb des Kehlkopfs – produziert lebenswichtige Hormone, die zahlreiche Stiffwechselprozessse im Körper steuern.
Die Schilddrüse – eine schmetterlingsförmige Drüse unterhalb des Kehlkopfs – produziert lebenswichtige Hormone, die zahlreiche Stiffwechselprozessse im Körper steuern.

Die Thermoablation: eine sanfte Alternative zur Operation

Bei der Thermoablation wird über eine feine Sonde gezielt Hitze in den Knoten geleitet, um das Gewebe zu veröden. «Das verödete Gewebe wird vom Körper abgebaut, und der Knoten schrumpft innerhalb eines Jahres um bis zu 80 Prozent», erklärt Dr. med. Tim Ohletz, Spezialist für interventionelle Radiologie am KSA. Der Eingriff dauert etwa eine Stunde, erfolgt ambulant und unter lokaler Betäubung. «Die Patientin oder der Patient kann meistens innerhalb von rund zwei Stunden wieder nach Hause gehen.»

Rein zufällig stiess Walter G. in einer TV-Sendung auf das Thema Thermoablation. «Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen OP-Termin für eine Teilentfernung der Schilddrüse bestätigt bekommen. Doch die möglichen Risiken – lebenslange Hormoneinnahme, Stimmbandprobleme – beunruhigten mich zunehmend.» Nach intensiver Recherche und Austausch mit dem Experten Dr. Ohletz, entschied Walter G. sich deshalb für eine Thermoablation am KSA. 

Sanfte Behandlung mit grosser Wirkung

Der Eingriff verlief unkompliziert. «Ich bekam eine lokale Betäubung, die Sonde wurde eingeführt und der Knoten erhitzt. Ich konnte während der ganzen Zeit mit dem Arzt sprechen. Weh tat es kaum», erinnert sich Walter G. Bereits unmittelbar nach der Behandlung bemerkte er eine Veränderung. «Der Knoten war sofort ein Drittel kleiner.»

 In den folgenden Monaten schrumpfte der Knoten weiter und war nach einem halben Jahr schliesslich gänzlich verschwunden. Und das Beste daran: «Keine Medikamente, keine Narben, keine Folgeschäden», so Walter G. weiter. Dr. Ohletz erklärt: «Die Erfolgsrate ist hoch. Das Ziel ist, das Volumen so weit zu reduzieren, dass es keine Beschwerden mehr verursacht.» In manchen Fällen sind mehrere Sitzungen notwendig, aber für die meisten Patientinnen und Patienten reicht eine Behandlung aus.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit am KSA

Das Verfahren wird am KSA interdisziplinär durchgeführt. «Unsere Endokrinologen diagnostizieren die betroffenen Personen, die Radiologinnen führen den Eingriff durch, und Nuklearmediziner, HNO- sowie Viszeralchirurginnen sind involviert, wenn eine andere Behandlung sinnvoller ist», erklärt Dr. Capraro. «Diese Zusammenarbeit macht das KSA als Zentrumsspital aus.»

In der Schweiz bieten nur wenige spezialisierte Zentren die Thermoablation an – das KSA zählt zu den Pionieren dieser Methode. «In Korea beispielsweise ist sie seit vielen Jahren etabliert, in Europa setzt sie sich erst allmählich durch», weiss Dr. Ohletz. «Oft braucht es Überzeugungsarbeit – sowohl bei Patientinnen und Patienten als auch bei anderen Fachkräften. Chirurginnen und Chirurgen denken oft zuerst an eine Operation, aber minimalinvasive Methoden sollten als gleichwertige Alternative gesehen werden.» Walter G. jedenfalls ist von der Thermoablation überzeugt: «Ich bin froh, dass ich mich informiert und für diese alternative Behandlungsform entschieden habe.»

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