Fokus: Trigeminusneuralgie

Diagnostik und Therapieansätze

Einleitung

Sehr starke, attackenförmige Gesichtsschmerzen können ein Hinweis auf eine sogenannte Trigeminusneuralgie sein.
Diese Schmerzen treten blitzartig auf und betreffen meist eine Gesichtshälfte, wie den Ober- oder Unterkiefer oder die Stirn. Einfache Reize wie Sprechen, Kauen, Zähneputzen, leichte Berührungen oder gar ein Windstoss auf der Haut können diese Schmerzen auslösen.
Die Schmerzen sind oft unerträglich, und die betroffenen Patientinnen und Patienten sind im Alltag massiv eingeschränkt, was zu einem enormen Leidensdruck führt.
Die Trigeminusneuralgie ist eine verhältnismässig seltene Erkrankung.

Die Neurochirurgie am KSA berät und behandelt überdurchschnittlich viele Patientinnen und Patienten mit Gesichtsschmerzen und gehört damit zu den Zentren mit der grössten Erfahrung auf dem Gebiet der Trigeminusneuralgie. Im Rahmen unserer Spezialsprechstunde «Trigeminusneuralgie» untersuchen und beraten wir jede Woche Patientinnen und Patienten über mögliche Ursachen und die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten, oft auch im Rahmen einer Zweitmeinung.

Zur Anmeldung

Nach ausführlicher Beratung und Abwägung führen wir etwa 20-30 Operationen pro Jahr durch. 

Der Trigeminusnerv

Der verantwortliche Nerv ist der Nervus trigeminus, einer der Hirnnerven. Er besteht aus drei Ästen und ist eigentlich für die Gefühlsempfindung im Gesicht zuständig. Bei der Trigeminusneuralgie ist jedoch die Funktion des Nervs gestört; er sendet falsche Signale an das Gehirn.

Ursache

Die häufigste Ursache für die Störung ist ein Blutgefäss, das neben dem Nerven liegt und ihn durch seine Pulsation reizt. Meist liegt der Kontakt an der sogenannten "root entry zone", der Stelle, an welcher der Nerv den Hirnstamm verlässt. Dies kann durch eine MRI-Untersuchung sichtbar gemacht werden.
(siehe Bild 1, MRI-Untersuchung: roter Pfeil: Gefäss; blauer Pfeil: Nervus trigeminus).

Symptome und Alltagsauswirkungen

Die Schmerzen sind oft so schwer zu ertragen, so dass sich viele Betroffene aus dem normalen Leben komplett zurückziehen oder sogar Suizidgedanken entwickeln. Die Schmerzen strahlen häufig entlang des Kiefers aus, weshalb oft Zahnprobleme vermutet werden. Nicht selten werden Betroffene daher fälschlicherweise an den Zähnen behandelt oder operiert, bevor eine korrekte Diagnose gestellt wird.

Diagnose

Eine genaue Anamnese und neurologische Untersuchung sind notwendig, um die Diagnose einer Trigeminusneuralgie zu stellen. Bildgebende Verfahren wie MRT oder CT können helfen, andere Ursachen auszuschließen und die Kompression des Nervs zu visualisieren.

Bei typischen Symptomen eines Gefäss-Nerven-Konflikts, wie sie bei der Trigeminusneuralgie auftreten, sind die Erfolgsaussichten einer Behandlung in der Regel sehr gut.

Behandlungsmöglichkeiten

Medikamentöse Therapie

Eine medikamentöse Schmerztherapie kann bei der Trigeminusneuralgie Linderung verschaffen. Das am häufigsten verwendete Medikament ist Carbamazepin, was bei vielen Patientinnen und Patienten bereits zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik führt. Aber nicht immer ist diese Therapie ausreichend; die Schmerzen sind oft weiterhin vorhanden oder die Nebenwirkungen der Medikamente zu gross. In diesen Fällen ist die operative Behebung der Ursache eine sehr effektive Möglichkeit.

Chirurgische Behandlung

Bei der sogenannten «mikrovaskulären Dekompression nach Jannetta» wird über einen kurzen Schnitt hinter dem Ohr der Nervus trigeminus an seinem Abgang aus dem Hirnstamm gesucht (Bild links und Mitte). Unter dem Mikroskop wird danach das Blutgefäss (Bild rechts, roter Pfeil), dass den Nerven (Bild rechts, blauer Pfeil) reizt, gelöst und ein Puffer zwischen Nerv und Gefäss gelegt, um den störenden Kontakt aufzuheben (Bild rechts, weisser Pfeil).  Ein kleiner eingeführter Teflonschwamm verhindert, dass die Pulsation des Gefässes direkt auf den Nerv übertragen wird. Der Eingriff dauert etwa eine Stunde. In 90% der Fälle sind die quälenden Schmerzen unmittelbar nach der Operation verschwunden und sämtliche Schmerzmedikamente können abgesetzt werden.

Alternative Behandlungsmethoden

Bei Betroffenen mit einem stark erhöhten Narkoserisiko oder bestimmten Nebendiagnosen wie Multipler Sklerose ist eine operative Behandlung gelegentlich nicht möglich. Als Alternative kann eine Glycerol-Injektion am Nerv, im Bereich des sogenannten "Ganglion gasseri" durchgeführt werden. Hierbei wird eine feine Nadel unter Röntgenkontrolle durch die Wange bis an den Nervenknotenpunkt des Nervus trigeminus an der Schädelbasis vorgeschoben. Das Medikament blockiert die Schmerzfasern, so dass eine Linderung der Schmerzen eintritt. Im Gegensatz zur operativen Behandlung ist die Wirkung zeitlich jedoch häufig begrenzt, kann aber bei Bedarf wiederholt werden.

Die stereotaktische Radiochirurgie ist eine weitere Behandlungsmethode, welche insbesondere bei therapieresistenten Fällen oder bei Rückfällen zur Anwendung kommt. Hierbei wird mittels einer einmaligen, millimetergenauen Präzisionsbestrahlung eine Narbenbildung innerhalb des Nervs ausgelöst, was in wenigen Wochen zu einer Schmerzlinderung führt. Auch diese Behandlungsoption können wir in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern anbieten.

Schlussfolgerung

Es ist  wichtig zu wissen, dass die Trigeminusneuralgie eine sehr gut behandelbare Erkrankung ist. Durch eine genaue Diagnose und individuell angepasste Therapieansätze können betroffene Patienten eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität erfahren.

Forschung

Die genauen Zusammenhänge der Trigeminusneuralgie sind noch nicht vollständig erforscht. Sowohl die Ursachen als auch die Symptome können stark variieren, weshalb der Weg zur richtigen Diagnose oft langwierig ist.

Um die Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung weiter zu verbessern, hat das KSA – neben verschiedenen Forschungsprojekten – mit Unterstützung des NeuroResearchOffice das erste prospektive Register für Betroffene ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit anderen Zentren sollen umfassende Daten gesammelt werden, um die Diagnose zu präzisieren und für jede Patientin und jeden Patienten die bestmögliche Behandlung zu finden.

Diese Forschung leistet einen wichtigen Beitrag, um langfristige Linderung für Betroffene zu ermöglichen.

Bei Interesse oder Fragen zu unseren Forschungsaktivitäten wenden Sie sich bitte an:

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