Wenn das Herz aus dem Takt gerät
6. Oktober 2023Was haben Giraffen und Mäuse mit unserem Herzen zu tun? Wie ist es, im zweiten Gang auf der Autobahn zu überholen? Prof. Laurent Haegeli, Chefarzt Kardiologie, gibt Einblicke ins Vorhofflimmern.
- Autor / Autorin Prof. Dr. med. Laurent Haegeli
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- Themen Ratgeber
Plötzliches Herzrasen, Herzklopfen, Brustschmerzen, unregelmässiger Puls oder geringere Leistungsfähigkeit sind Symptome von Vorhofflimmern. Am Anfang treten diese für ein paar Minuten oder Stunden auf, dann spüren Betroffene vielleicht monatelang nichts. Mit der Zeit werden die Pausen zwischen den Attacken immer kürzer. Was passiert im Körper beim Vorhofflimmern, der am häufigsten vorkommenden Herzrhythmusstörung?
Blick ins Herz
Das Herz hat zwei Vorhöfe und zwei Kammern. Die Vorhöfe sind wie ein Zylinder beim Motor. Sie pumpen Blut in die Kammern, damit diese gut gefüllt sind. Normalerweise ziehen sich zuerst die Vorhöfe zusammen, dann die Kammern, bei einem Puls von 60 bis 100 Schlägen pro Minute. Doch beim Vorhofflimmern schlagen die Vorhöfe mit 300 bis 400 Schlägen pro Minute, also viel zu schnell. «Das nennt man Flimmern», erklärt Prof. Dr. med. Laurent Haegeli, Chefarzt Kardiologie am KSA.
Ziehen sich die Vorhöfe dadurch nicht mehr richtig zusammen, wird das Blut nicht mehr vorwärts gepumpt. Betroffene haben plötzlich einen Ruhepuls von 130 bis 150 Schlägen. Zudem reduziert sich die Herzleistung um 20 bis 30 Prozent, das Blut zirkuliert nicht mehr gut, Gerinnsel können sich bilden und zum Schlaganfall führen. «Es ist, als wolle man im zweiten Gang auf der Autobahn überholen», so der Arzt.
In der Schweiz sind mindestens 100 000 Menschen von Vorhofflimmern betroffen. Jeder zehnte Mann über 65 leidet darunter. Da Östrogene Frauen bis zur Menopause vor Herzerkrankungen schützen, trifft die Krankheit Frauen erst im höheren Alter. «Auch die Körpergrösse spielt eine Rolle», führt Laurent Haegeli aus. Je grösser der Mensch, desto grösser die Herzmasse, desto wahrscheinlicher ist Vorhofflimmern. Fakt ist: Giraffen haben häufiger Vorhofflimmern als Mäuse.
Zu viel Sport ist Mord
Es mag überraschen, doch auch Ausdauersportler sind betroffen. «Menschen, die viel joggen, ein- oder mehrmals im Jahr einen Marathon laufen oder viel und intensiv Rad fahren, haben eher Vorhofflimmern, als Menschen, die gemässigt Sport machen», weiss der Kardiologe aus Erfahrung. Und: Nach einer durchzechten Nacht kann auch bei jungen Menschen Vorhofflimmern auftreten.
Nebst Alter, zu viel Sport und Alkohol sind Herzerkrankungen, hoher Blutdruck, Druckbelastungen, Herzmuskelschwäche, Übergewicht und Schlafapnoe weitere Ursachen für ein Vorhofflimmern. Laurent Haegeli empfiehlt: «Betroffene sollten so früh wie möglich Herz- oder Rhythmusfachleute aufsuchen.» Je früher dies geschieht, desto besser sind die Erfolgschancen der Behandlung. Allerdings bemerken manche Menschen ein Vorhofflimmern gar nicht.
Tipps – Vorhofflimmern vorbeugen
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Gesunder Lebenswandel, wenig Alkohol
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Mediterrane Ernährung mit gutem Olivenöl, Fisch, Gemüse, wenig Fett, Oliven, Feta etc.
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Mahlzeiten geniessen und langsam essen
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Gewicht in der Norm halten
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Sportliche Aktivität, die Spass macht
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Ab 60 Jahren regelmässig den Puls am Handgelenk messen
Frühe Diagnose bedeutet gute Chancen auf Erfolg
Für die Diagnose ist das EKG, das die Herzaktivität aufzeichnet, entscheidend. Am Anfang, wenn Vorhofflimmern noch nicht regelmässig auftritt, kann man die Herzaktivität auch mit einer Smartwatch mit EKG-Funktion erfassen, um es frühzeitig zu erkennen.
Erwischt man das Vorhofflimmern frühzeitig, stehen die Chancen auf Erfolg durch eine konsequente rhythmusstabilisierende Therapie mittels Medikamenten oder kombiniert mit einer minimalinvasiven Katheterablation sehr gut. Betroffene bleiben meistens langfristig komplett beschwerdefrei. Blutverdünner schützen vor einem Schlaganfall.
«Die wirkungsvollste Behandlung ist die Katheterablation», so Laurent Haegeli. Dabei punktiert der Arzt die Leistenvene und schiebt Katheter durch die Vene ins Herz. Dort behandelt er am Eingang der Lungenvenen den Ursprungsort des Vorhofflimmerns, erhitzt das betroffene Gewebe mit Strom, wodurch es zu Bindegewebe umgewandelt wird. Das isoliert und leitet den Impuls aus den Lungenvenen, der das Vorhofflimmern verursacht hat, nicht mehr weiter – das Herz schlägt wieder im Takt.
Weitere Informationen: ksa.ch/herzrhythmusstoerungen
Herr Prof. Laurent Haegeli, kann eine Smartwatch Herzrhythmusstörungen erkennen?
Ja, es gibt spezielle EKG-Apps für Smartwatches, die Herzrhythmusstörungen erkennen können. Durch die kontinuierliche Überwachung der Herzfrequenz können Abweichungen festgestellt werden. Solche Apps können z. B. dabei helfen, ein beschwerdefreies Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen. Aber Achtung: Eine Smartwatch kann keine medizinische Diagnose stellen und ist nicht in der Lage, eine gefässbedingte Herzkrankheit zu erkennen. Bei Unregelmässigkeiten sollte eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden.
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