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Unterstützung für Spital in Malawi

7. November 2023

Die Neurochirurgie KSA Aarau engagiert sich seit rund zwei Jahren aktiv für die Verbesserung der neurochirurgischen Versorgung am Queen Elizabeth Hospital im südostafrikanischen Malawi.

  • Autor / Autorin Prof. Dr. med. Gerrit A. Schubert
  • Lesedauer ca. 5 Minuten
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Prof. Gerrit A. Schubert, Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie KSA Aarau, und sein Team engagieren sich seit rund zwei Jahren aktiv für die Verbesserung der neurochirurgischen Versorgung am Queen Elizabeth Hospital im südostafrikanischen Malawi. Im Interview erzählt er uns, wie es dazu kam, welche konkrete Hilfe seine Klinik leistet und in Zukunft weiter leisten möchte.

 

Prof. Schubert, wie kam es dazu, dass die Klinik für Neurochirurgie des KSA das Queen Elizabeth Hospital in Blantyre (Malawi) unterstützt?

Ich habe 2021 auf einer Tagung für Neurotraumatologie in Göttingen einen Vortrag von Prof. Patrick Kamalo, Leiter der Neurochirurgie in Blantyre, gehört. Prof. Kamalo berichtete über seine Arbeit in Malawi und die Umstände, unter denen das Spital mit geringen finanziellen Mitteln und fehlenden personellen Ressourcen Ausserordentliches leistet. Das hat mich nachhaltig berührt.
Es fehlt dort an fast allem. Für die 20 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner des Landes steht insgesamt gerade mal eine Handvoll Intensivbetten, Beatmungsgeräten und CTs zur Verfügung. Zudem sind die medizinischen Gerätschaften oft veraltet. Verbandsmaterialien und OP-Instrumente fehlen oft. Angehörige übernehmen die Pflege von Patientinnen und Patienten und müssen oft für Medikamente und Implantate selber aufkommen. Zudem lastet die neurochirurgische Versorgung des gesamten Landes auf den Schultern von 2 bis 3 Kollegen (legt man die Schweizer Verhältnisse zugrunde, müssten es über 600 Ärztinnen und Ärzten sein).

Aufgrund der Infrastruktur kommen viele Patientinnen und Patienten erst sehr spät oder gar nicht ins Spital, um beispielsweise nach einem Verkehrsunfall behandelt zu werden. Immer wieder steht man vor der schwierigen Abwägung, welcher Patient oder welche Patientin ein Beatmungsbett belegen kann.

Bösartige Hirntumore werden – falls sie diagnostiziert werden – selten bis gar nicht behandelt, weil erstens die Behandlung teuer (Chemotherapie also fast unmöglich) und zweitens keine Nachsorge möglich ist.

Wenn man in der Schweiz lebt und arbeitet, kann man sich solche Verhältnisse kaum vorstellen, und ich war extrem beeindruckt, was Prof. Kamalo mit seinen Kolleginnen und Kollegen leistet. Es stand relativ schnell für uns fest, dass wir hier nach Möglichkeit Hilfe leisten wollten.

Abbildung 1: Intensivstation mit drei der vier Betten
Abbildung 1: Intensivstation mit drei der vier Betten

Wie sieht denn die konkrete Unterstützung aus? Was beinhaltet diese?

In den letzten zwei Jahren haben wir die Klinik für Neurochirurgie am KSA Aarau neu aufgebaut. Wir haben intern unsere Prozesse optimiert, Behandlungspfade überprüft, die Gerätschaften standardisiert und hinterfragt. Dabei konnten wir immer wieder Instrumente, Bohrer und andere Gerätschaften ausfindig machen, die in gutem Zustand sind, aber am KSA nicht mehr genutzt werden können. Bislang wurden diese Materialen entsorgt; in Malawi wird solches Material jedoch dringend benötigt.
Wir haben deshalb gemeinsam mit der OP-Pflege begonnen, unsere Bestände bei Umstellungen zu überprüfen. Massgeblich mitbeteiligt und mit grossem Engagement an Bord ist dabei insbesondere Clara Pleus, Fachverantwortliche OPS am KSA Aarau.
Seitdem können wir in unregelmässigen Abständen Hilfspakete nach Malawi verschicken.
Jüngstes Beispiel: Bei den Kollegen in Malawi ist kürzlich gerade die einzige Kopf-Klemme gebrochen, mit der sie Schädeloperationen durchführen können. Die Klemme wurde bereits vor 15 Jahren secondhand aus England gespendet. Da wir intern umgestellt haben, können wir Ihnen u.a. einige der dringend benötigten Klemmen mit Instrumenten schicken, die in sehr gutem Zustand sind, aber sonst entsorgt worden wären. Geplant ist ausserdem der Transfer von Hard- und Software für die sogenannte Neuro-Navigation, mit Hilfe derer wir gezielt und sicher Hirntumore operieren können. Die Gerätschaften sind mittlerweile in der Schweiz «end of service», können also hier nicht mehr eingesetzt werden. Mit dem ehrenamtlichen Support der Herstellerfirma werden die Gerätschaften aufbereitet und in Malawi wieder eingesetzt.

Abbildung 2: Das Team der Neurochirurgie (von links: Dr. Patricia Trost, PD Dr. Markus Bruder, Clara Pleus, Prof. Gerrit Schubert) mit einer Lieferung nach Malawi.
Abbildung 2: Das Team der Neurochirurgie (von links: Dr. Patricia Trost, PD Dr. Markus Bruder, Clara Pleus, Prof. Gerrit Schubert) mit einer Lieferung nach Malawi.

Sind auch medizinische Einsätze von KSA Ärztinnen oder Ärzten vor Ort in Malawi geplant oder solche Einsätze in Zukunft denkbar?

Derzeit arbeiten wir personell noch nicht vor Ort. Unsere Sachhilfe koordinieren wir zusammen mit der Neurochirurgie am Universitätsklinikum Ulm unter Prof. Thomas Kapapa. Er unterstützt die Klinik in Blantyre schon seit längerem und ist auch vor Ort tätig. Gemeinsam haben wir jetzt eine Förderung beantragt, um die Neuromedizin in Blantyre systematisch zu stärken – im Rahmen eines multizentrischen Projektes mit Material, aber auch mit Know-how, d.h. durch Ausbildung und Training, für welches wir dann gerne auch vor Ort präsent sein möchten.

Was ist Ihre Motivation, sich für das Queen Elizabeth Hospital in Blantyre zu engagieren?

Der Kontrast in der Versorgungslage zwischen Malawi und der Schweiz ist besonders frappierend und mitunter erschütternd. Wie oben erwähnt fehlt es dort oft am Notwendigsten, während wir hier - was die Betreuung und medizinische Qualität betrifft - immer noch einen der weltweit höchsten Standards haben. Im Rahmen der Neuerungs- und Optimierungsprozesse identifizieren wir immer wieder Gerätschaften und Materialen, die trotz ihres sehr guten Zustandes hier nicht mehr zum Einsatz kommen können. Da war es für uns logisch, nach einem Weg zu suchen, diese Hilfsmittel dem Spital in Malawi zugänglich zu machen. In Zukunft wäre es natürlich wünschenswert, wenn man die humanitären Projekte der anderen Kliniken am KSA bündeln und ausbauen könnte.

Abbildung 3: Operationssaal der Neurochirurgie
Abbildung 3: Operationssaal der Neurochirurgie

Gibt es Erfolgsgeschichten von Patientinnen oder Patienten in Malawi, die von der neurochirurgischen Versorgung profitieren konnten?

Ich denke nicht, dass man das auf ein Einzelschicksal runterbrechen kann. Wir befinden uns am Anfang eines langen Weges, um nachhaltig zu unterstützen, nicht nur durch Material, sondern auch durch Expertise und Ausbildung. Im Moment profitieren alle Patientinnen und Patienten am Queen Elizabeth Hospital von zusätzlichen Hilfsmaterialien, da sonst die Versorgung im Einzelfall überhaupt nicht gewährleistet wäre... insbesondere dann, wenn die Improvisationskünste der Kolleginnen und Kollegen vor Ort an ihre Grenzen kommen.

Das Queen Elizabeth Central Hospital (QECH) in Blantyre, Malawi, ist das grösste Krankenhaus des Landes. Es bietet eine breite Palette medizinischer Dienstleistungen, darunter Notfallversorgung, Chirurgie, Geburtshilfe, Gynäkologie und Onkologie. Als wichtigstes Referenzkrankenhaus trägt es zur Gesundheitsversorgung in der Region bei und bietet Ausbildungsmöglichkeiten für medizinisches Personal.

Abbildung 4: Queen Elizabeth Central Hospital mit Wartebereich im Vordergrund
Abbildung 4: Queen Elizabeth Central Hospital mit Wartebereich im Vordergrund
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