Risikoschwangerschaft – und jetzt?
14. Juni 2024Schätzungsweise 30 bis 40 Prozent aller Schwangerschaften in der Schweiz sind Risikoschwangerschaften. Schwangerschaftsdiabetes, Schwangerschaftsvergiftung, Mehrlingsschwangerschaft: Wer als werdende Mutter von Komplikationen betroffen ist, wünscht sich eine besonders kompetente Betreuung. Eine solche bietet das Perinatalzentrum des Kantonsspitals Aarau – vor, während und nach der Geburt.
- Autor / Autorin Dr. med. Monya Todesco Bernasconi
- Lesedauer ca. 5 Minuten
- Themen Schwangerschaft und Geburt
Eine erhöhte Nackentransparenz – das erste Anzeichen für eine spezielle Entwicklung des ungeborenen Kindes. Das Ergebnis der Ultraschalluntersuchung beim Ersttrimesterscreening verunsichert Anna. Was nun? Nach einer eingehenden Beratung am KSA entscheidet sich die 31-Jährige für eine Chorionzottenbiopsie, eine Punktion der Plazenta. Das Ergebnis: Das Chromosom 21 ist dreimal statt nur zweimal vorhanden, es liegt eine Trisomie 21 und damit eine Risikoschwangerschaft vor. «Das ist für die meisten Mütter eine Diagnose, die viele Fragen aufwirft», sagt Monya Todesco, Chefärztin für Geburtshilfe und Perinatalmedizin. «Eine gute Betreuung für Mutter und Kind ist in solchen Fällen besonders wichtig.»
Dabei steht ihr Claudia Spielmann zur Seite, Leitende Hebamme am KSA. Sie weiss, worauf es ankommt. «Zuhören, die Sorgen und Ängste ernst nehmen, Sicherheit geben.» Jede Risikoschwangerschaft sei anders – und auch die Ursachen seien vielfältig. Eine bestehende Erkrankung der Mutter, eine Auffälligkeit beim ungeborenen Kind, ein vorzeitiger Blasensprung – die Liste ist lang. «Auffällig ist allerdings der zunehmende Anteil von Risikoschwangerschaften aufgrund von Adipositas, also starkem Übergewicht, oft in Kombination mit einem Schwangerschaftsdiabetes», so Spielmann.
Rundumbetreuung vor, während und nach der Geburt
Ein Perinatalzentrum bietet im Gegensatz zu normalen Geburtenabteilungen eine umfassende Betreuung von Risikoschwangeren und Frühgeborenen – vor, während und nach der Geburt. «Wir haben eine ausgewiesene Expertise bei der Geburtshilfe und der Betreuung von Kindern, die vor der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen», erklärt Monya Todesco. Gerade auch für Babys, die beatmet werden müssen, ermöglicht das KSA den höchsten Versorgungsgrad. Die Überlebenschance von Kindern, die bereits in der 25. Schwangerschaftswoche geboren werden, beträgt rund 70 Prozent. «Vor 20 Jahren lag sie noch bei unter 25 Prozent.»
Neben Ärztinnen, Ärzten und Hebammen werden Risikoschwangere auch von sogenannten Case-Managerinnen unterstützt, Pflegefachfrauen, die auf komplizierte Schwangerschaften spezialisiert sind. Sie stehen den betroffenen Familien mit Rat und Tat zur Seite – nicht nur bei Sorgen rund um die bevorstehende Geburt, sondern auch hinsichtlich finanzieller Themen und organisatorischer Belange. «Sie begleiten die Familie von der Schwangerschaft bis zur Entlassung des Kindes nach Hause.»
So wenig wie möglich, so viel wie nötig
Neben medizinischen Untersuchungen und genetischen Abklärungen sieht das Perinatalzentrum des KSA seine Aufgabe auch darin, Frauen bei Verdacht auf eine Krankheit, Entwicklungsstörung oder Fehlbildung ihres ungeborenen Kindes mit einer Zweitmeinung zu unterstützen. Beratungen werden auch bei Steisslage des Kindes angeboten. «Wir zeigen die verschiedenen Optionen auf», so Monya Todesco. Das kann zum Beispiel die äussere Wendung des Kindes sein, die am KSA zwei- bis dreimal pro Woche durchgeführt wird. Unter gewissen Voraussetzungen ist aus dieser Lage eine Spontangeburt möglich. Die Spezialistin betont jedoch, dass eine Schwangere niemals zu einer natürlichen Geburt gedrängt werde, wenn diese für sie nicht in Frage kommt.
Annas Kind hat inzwischen das Licht der Welt erblickt. Weil die Plazenta das Ungeborene in der 28. Schwangerschaftswoche nicht mehr ausreichend versorgte, wurde es per Kaiserschnitt geholt. «Wir haben ihm vorab ein Medikament verabreicht, das seine Organe früher reifen lässt», erklärt Monya Todesco. Nach der Geburt waren die Neonatologinnen und Neonatologen zur Stelle, um sich um das Kind zu kümmern. Bis zum ursprünglich errechneten Geburtstermin wird es noch im Spital bleiben. Ärztin und Hebamme sind zuversichtlich. «Bis jetzt sieht alles gut aus.»
Die Maternité der Frauenklinik des Kantonsspitals Aarau wurde von UNICEF Schweiz und Liechtenstein mit dem Label «Babyfreundliches Spital» ausgezeichnet worden.
Das Qualitätslabel erhalten Spitäler, welche die Qualitätskriterien der «Babyfreundliches Spital Initiative (BFSI)» von UNICEF und WHO erfüllen. Ziel der weltweiten «Baby-Friendly Hospital» Initiative ist es, die Lebensphase des Neugeborenen besonders zu schützen und optimale Bedingungen für einen erfolgreichen Start des Stillens zu gewährleisten.
Wichtigste Eckpunkte und Ziele der Initiative sind:
- Stärkung der Mutter-Kind-Beziehung
- Förderung des Stillens
- Kontinuierliche Aus- und Weiterbildung des Gesundheitspersonal
Die Teams von Dr. med. Monya Todesco Bernasconi, Chefärztin Geburtshilfe (links) und Claudia Spielmann, Leitende Hebamme, betreuen Frauen mit einer Risikoschwangerschaft vor, während und nach der Geburt.
Vier Fragen an Monya Todesco
Der zunehmende Anteil von Risikoschwangerschaften aufgrund von Adipositas ist auffällig. Warum kann Übergewicht das ungeborene Kind gefährden?
Die Auswirkungen sind vielfältig. Bei Übergewicht ist der Stoffwechsel der Mutter anders geregelt und es kommt zum Beispiel viel häufiger zur Entwicklung eines Schwangerschaftsdiabetes. Auch der Blutdruck ist bei diesen Frauen höher und kann zu Komplikationen in der Versorgung des Ungeborenen führen.
Leider haben auch die betroffenen Kinder ein höheres Risiko, später im Leben zuckerkrank zu werden.
Wie konkret werden bei Risikoschwangerschaften die Väter in die Beratung involviert?
So viel wie die Schwangere es wünscht. Es ist heutzutage üblich, dass die werdenden Väter bei den Untersuchungen und bei den Besprechungen dabei sind. Ihre Beteiligung ist sehr wertvoll. Sie können meistens häufiger konkrete Verständnisfragen stellen. Das hilft in der Diskussion der Themen und in der individuellen Entscheidungsfindung.
Bei einer Steisslage kommt oft die äussere Wendung des Kindes zur Anwendung. Ist das für die betroffenen Frauen ein schmerzhafter Vorgang?
Wenn die Bedingungen ideal sind, ist die Methode schmerzlos. Wir verwenden eine sanfte Variante und aktivieren mit unseren Handgriffen die bereits vorhandenen natürlichen Bewegungsreflexe des Kindes. Zum Beispiel der Laufreflex: Durch die Bauchdecke wird der untere Teil des Rückens des Kindes berührt. Dabei zieht das Kind ein Bein nach anderen an und stösst sich dann beim Strecken von der ursprünglichen Position weg).
Sehen Sie sich dazu unser Video an:
KSA Maternité
Die Geburt eines Kindes ist für uns ein wundervolles und einzigartiges Ereignis.
Es ist wichtig, dass jede Geburt respektvoll, individuell und möglichst schonend betreut wird. Das gilt für jede schwangere Frau. Die langfristige Gesundheit von Mutter und Kind sowie das Wohl der ganzen Familie stehen bei uns im Mittelpunkt. Es ist uns wichtig, Sie so gut wie möglich auf Ihr neues Elterndasein vorzubereiten. Deswegen nehmen wir uns Zeit für Ihre Bedürfnisse und Wünsche. Unser ÄrztInnen- und Hebammen-Team wird Sie vor, während und nach der Geburt professionell und einfühlsam betreuen.
Die KSA Maternité ist immer für Sie da: Von der individuellen Begleitung und Betreuung bei risikoarmen Geburten bis zur hochkomplexen, medizinischen Versorgung bei aussergewöhnlichen Geburtssituationen, wie etwa Frühgeburten. Auch bei Steisslagen und Zwillingsgeburten stehen wir Ihnen mit unserer Fachkompetenz und langjährigen Erfahrung beiseite.
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