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Mit Infrarot erfolgreich gegen Wundinfektionen

7. Dezember 2020

Als eines der wenigen Spitäler in der Schweiz setzt das KSA bei Bauchoperationen auf die Behandlung mit einem Infrarot-A-Strahler. Damit hat sich die Infektionsrate um über 50% reduziert.

  • Autor / Autorin Prof. Dr. med. Mark Hartel
  • Lesedauer ca. 3 Minuten
  • Themen Forschung und Innovation
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Erleichtertes Aufatmen nach dem Eingriff: Alles ist gut gegangen. Allerdings folgt mit der Operationswunde gleich die nächste Herausforderung. Im Idealfall heilt sie innerhalb von vierzehn Tagen; doch nach jedem fünften Baucheingriff mit Eröffnung von Hohlorganen kommt es zu einer Entzündung der Wunde. Damit kann sich die Behandlung bis zu mehreren Wochen verlängern.

«Das ist ein relevantes Problem», sagt Prof. Dr. med. Mark Hartel, Facharzt für Chirurgie FMH und Chefarzt Viszeralchirurgie am KSA. Er erklärt, weshalb Wundinfektionen nach Bauchoperationen häufiger vorkommen: «Mit seinen Hohlorganen gilt der Bauch als sensibler Bereich, den man nicht komplett steril halten kann: In einem geöffneten Darm oder in der Galle etwa liegen Keime frei. Trotz aller Sorgfalt, Hygienemassnahmen und Antibiotikagabe während der Operation können diese Keime in die Wunde gelangen und dort zu einem Infekt führen.» Die Folgen: eine schmerzhafte Geduldsprobe für Patientinnen und Patienten, ein deutlich höherer Aufwand für das Spital und markant höhere Kosten für die Nachbehandlung.

Eine einfache, schonende und effiziente Methode

Gemäss Hartel lassen sich diese Entzündungen nicht komplett verhindern, aber deutlich verringern. Genau das ist ihm im Rahmen zweier Studien an den Universitäten in Heidelberg und München gelungen – und wird von Hartel und seinem Team am Kantonsspital Aarau umgesetzt: Die Infektionsrate nach bauchchirurgischen Eingriffen hat sich damit um über 50 Prozent reduziert. Hinter dieser Zahl steht eine ebenso einfache wie effektive Methode, die in Aarau schon seit einigen Jahren angewendet wird: die Behandlung mit wassergefilterten Infrarot-A-Strahlen, kurz wIRA.

Tiefenwirksame Wärme wird auch schon vor der Operation eingesetzt

«Im Gegensatz zu herkömmlichen UV-Lampen wirken die wIRA-Strahlen bis drei Zentimeter tief ins Gewebe. So werden die Gewebeschichten tiefenwirksam erwärmt und besser durchblutet», führt Hartel aus. Dies wiederum fördere chemische und nicht chemische Prozesse, die bei der Heilung der Wunde eine entscheidende Rolle spielen.

Einen wichtigen Grund für die hohe Wirkung der wIRA-Strahlen ortet der Chirurg in der angeregten Durchblutung: «Dadurch gelangt das Antibiotikum leichter in das Gewebe, erreicht dort eine höhere Konzentration und transportiert Giftstoffe besser ab.»

Zunächst setzten die Spezialisten am Kantonsspital Aarau wIRA vor allem postoperativ zur Linderung der Schmerzen und zur schnelleren Wundheilung ein. Nun kommt der Strahler zusätzlich vor der Operation zum Zug: Ungefähr eine halbe Stunde, bevor der Schnitt erfolgt, wird die Bauchdecke bestrahlt – als prophylaktische Massnahme zur Verhinderung einer Infektion. Die Evidenz von wIRA basiert auf einer zweijährigen randomisierten Doppelblindstudie mit rund 400 Personen an der Technischen Universität München. Die Behandlungsgruppe erhielt 20 Minuten vor dem Eingriff eine Bestrahlung mit wIRA, die Kontrollgruppe mit einer Wärmelampe ohne wIRA.

Die Praxis bestätigt die Studienresultate

Mark Hartel, der die Doppelstudie leitete, spricht von einem klaren Resultat: «Bei der Behandlungsgruppe gab es weniger als halb so viele Infektionen, ihre Wunden heilten rascher und besser.» Das decke sich mit den Erfahrungen am KSA, wo wIRA bei Bauchoperationen eingesetzt werde: «Die Wirkung ist überraschend zuverlässig, und im Gegensatz zu anderen Wärmelampen besteht keinerlei Verbrennungsgefahr.» Allenfalls könnten die Strahlen etwas warm werden, doch dann vergrössere man einfach den Abstand. Eine einzige Einschränkung nennt der Chefarzt: «Der offene Darm sollte nicht bestrahlt werden, die Gefahr der Austrocknung wäre zu gross.»

Nebenwirkungen gebe es keine – abgesehen von jenen, die durchaus erwünscht sind: Etwa, dass nach der OP weniger Schmerzmittel benötigt werden oder die Wunde rascher heilt. Von seinen Patientinnen und Patienten hat Hartel bisher nur positives Feedback erhalten: «Sie empfinden das warme Rotlicht als angenehm, schmerzlindernd – und beruhigend.» Er lacht: «Manche so sehr, dass sie dabei entspannt einschlafen.»

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