Adipositas-Behandlung: individuelle Wege zu einem gesünderen Leben
15. November 2024Übergewicht stellt für viele einen ständigen, frustrierenden Kampf dar – und bringt nicht selten ernsthafte Gesundheitsrisiken mit sich. Doch es gibt Wege, diesem Kreislauf zu entkommen – durch Lebensstiländerungen, kombiniert mit medizinischer Unterstützung. Moderne Behandlungsmöglichkeiten bieten Hoffnung auf langfristige Erfolge.
- Autor / Autorin Dr. med. Gabriela Werder
- Lesedauer ca. 5 Minuten
- Themen Ernährung Bewegung
Stellen Sie sich vor, Sie versuchen seit Jahren, Ihr Gewicht zu reduzieren. Sie probieren unzählige Diäten und Fitnessprogramme aus und trotzdem scheint nichts nachhaltig zu helfen. Sie fühlen sich gefangen in einem Kreislauf aus Frustration und Rückschlägen. So geht es vielen Menschen in der Schweiz: Rund 40 Prozent der Erwachsenen kämpfen mit Übergewicht, etwa 11 Prozent sind adipös. Für Menschen, die sich Unterstützung bei der Bewältigung dieses Problems wünschen, gibt es verschiedene Möglichkeiten für eine professionelle Unterstützung. Am KSA bietet das Kompetenzzentrum für Ernährung, Essstörungen und Adipositas (KEEA) Betroffenen eine umfassende und individuelle Behandlung – von einer betreuten Umstellung des Lebensstils über die medikamentöse Therapie bis hin zur Operation.
Wann ist Adipositas behandlungsbedürftig?
Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 wird Übergewicht als Adipositas bezeichnet. Je früher man handelt, desto besser stehen die Chancen, durch eine Veränderung der Alltagsgewohnheiten das Gewicht langfristig in den Griff zu bekommen. Konservative Massnahmen wie Ernährungsberatung und Bewegungsprogramme sind der erste Schritt. «Wenn diese jedoch nicht zum Erfolg führen und Begleiterkrankungen wie Diabetes hinzukommen, kann eine Operation ab einem BMI von 35 die richtige Wahl sein», erklärt Dr. med. Gabriela Werder, Leitende Ärztin Viszeralchirurgie und Leiterin der Adipositaschirurgie am KSA.
Innovative Adipositaschirurgie am KSA
Für viele Menschen mit schwerem Übergewicht kann eine Operation den entscheidenden Unterschied bringen. Die gängigsten Eingriffe, um das Gewicht dauerhaft zu reduzieren, sind der Magenbypass und der Schlauchmagen. Beim Magenbypass wird der Magen verkleinert und der Dünndarm so umgeleitet, dass weniger Nahrung aufgenommen und verdaut wird, während beim Schlauchmagen der Magen zu einem schmalen Schlauch verkleinert wird.
Seit Oktober 2023 setzen die Expertinnen und Experten am KSA dafür den Da-Vinci-Operationsroboter ein. Dieser bietet bei komplexen Eingriffen entscheidende Vorteile: «Der Da Vinci erlaubt es uns, besser an schwer zugängliche Stellen heranzukommen», erklärt Gabriela Werder. Auch die hohe Auflösung der Kamera und die dreidimensionale Sicht sind ein wichtiger Vorteil für die Chirurgin oder den Chirurgen. Das bedeutet für die Betroffenen weniger Schmerzen nach dem Eingriff und schnellere Erholungszeiten. «Vor allem bei schwierigen Zweitoperationen ist der Da Vinci gegenüber der Laparoskopie (Schlüssellochtechnik) überlegen», betont Gabriela Werder. Solche Zweitoperationen können nötig werden, wenn beim ersten Eingriff der gewünschte Gewichtsverlust nicht erreicht werden konnte.
Vielfalt der Behandlungsoptionen
Am KEEA wird jedoch nicht nur auf chirurgische Lösungen gesetzt. «Eine erfolgreiche Gewichtsreduktion ist immer ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren», erklärt Gabriela Werder. Die Ernährungsberatung spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie geht weit über die Wissensvermittlung hinaus. Vielmehr werden Patientinnen und Patienten engmaschig begleitet, um einen individuellen Weg zu einem gesünderen Lebensstil zu finden.
Zusätzlich kann bei ausgewählten Personen der Wirkstoff Semaglutid, der in sogenannten «Abnehmspritzen» enthalten ist, unterstützend eingesetzt werden. «Das Medikament ist kein Wundermittel, aber es hilft vielen dabei, die nötigen Änderungen in ihrem Lebensstil durchzuführen», erklärt Gabriela Werder. Mit der Unterstützung des KEEA-Teams soll ein nachhaltiger Gewichtsverlust auch nach der Anwendung des Medikamentes erreicht werden.
KEEA: Expertise und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Das KEEA bietet seinen Patientinnen und Patienten ein breites Spektrum an konservativen und operativen Behandlungsoptionen, Beratung und psychologische Begleitung. Was das Zentrum besonders auszeichnet, ist die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche. «Wir legen grossen Wert auf eine interdisziplinäre Betreuung», sagt Gabriela Werder. So wird sichergestellt, dass die Betroffenen nachhaltig von der Behandlung profitieren und nicht nur kurzfristig Gewicht verlieren.
Nachgefragt
Frau Werder, Semaglutid heisst der Wirkstoff in den «Abnehmspritzen». Können Sie erklären, wie das Medikament im Körper wirkt?
Neben der blutzuckersenkenden Wirkung führt das Medikament im Körper zu einem deutlich schnelleren Sättigungsgefühl und wirkt wie der Botenstoff GLP-1, der nach der Nahrungsaufnahme im Darm produziert wird und ebenfalls zu einem Sättigungsgefühl führt. Das Medikament verbessert die Wirkung von Insulin, führt aber nicht zu einer Unterzuckerung, wie sie bei Insulin selbst vorkommen kann.
Für wen ist die Behandlung mit der Abnehmspritze geeignet?
Es wurde von Swissmedic per 15. Februar 2022 für Patientinnen und Patienten mit einem BMI von über 30 zugelassen; bei einem BMI von 27 bis 30 muss mindestens eine gewichtsbedingten Begleiterkrankung vorliegen. Das können zum Beispiel Diabetes Mellitus (Zuckerkrankheit) oder hoher Blutdruck sein.
Und was sind die Nebenwirkungen und Risiken?
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall und Übelkeit. Oft gewöhnt sich der Körper mit der Zeit aber auch an das Medikament, sodass die Beschwerden weniger werden. Müdigkeit kann ebenfalls häufig vorkommen. In der Regel wird das Medikament aber gut vertragen. Zu den seltenen Komplikationen gehören Gallensteinbeschwerden, Haarausfall, Aufstossen und eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse.
Die Adipositaschirurgie am KSA ist als bariatrisches Referenzzentrum von der Swiss Society for the Study of Morbid Obesity and Metabolic Disorders (SMOB) und verfügt damit über die höchste Auszeichnung auf diesem Gebiet.
Das Kompetenzzentrum Ernährung, Essstörung und Adipositas (KEEA) des KSA
Das KEEA ist ein umfassendes interdisziplinäres Kompetenzzentrum für alle gesundheitlichen Probleme, die mit der Ernährung zusammenhängen. Das interdisziplinäre Team berät Personen mit Übergewicht, von der Ernährungsberatung bis hin zur Adipositas-Chirurgie, und begleitet Betroffene mit Essstörungen. Im Bereich der Ernährungsmedizin gehen unsere Expertinnen und Experten auf Fehl- oder Mangelernährung ein.