Behandlungserfolg sicherstellen
Patient Blood ManagementPatient Blood Management, kurz PBM, ist ein Behandlungskonzept, das darauf abzielt, Sicherheit und Heilungserfolg von Patienten durch den rationalen Einsatz von Blutkonserven zu verbessern.
Haupteinsatzgebiet des PBM sind planbare Operationen. bei denen mit einem Gesamtblutverlust (während und nach der Operation) von mehr als 8 dl zu rechnen ist. Am Spital Zofingen sind dies in erster Linie Hüft- und Kniegelenksprothesen-Operationen.
Was bedeutet das Patient Blood Management für Sie als Hausarzt?
Wenn Sie einen Patienten zur Beurteilung der Indikation nach der Implantation einer Hüft- oder Kniegelenkprothese zum Orthopäden überweisen, machen Sie gleichzeitig ein einfaches Anämie-Screening.
Hat der Patient einen normalen Hb-Wert ändert sich nichts am gewohnten, präoperativen Ablauf. Finden Sie jedoch eine Anämie, muss diese vor der geplanten Operation abgeklärt und behandelt werden. Aus unseren eigenen Untersuchungen wissen wir, dass die Zeit von der 1. Konsultation bei Ihnen bis zum Operationstermin im Durchschnitt 10 Wochen beträgt.
Damit steht für Abklärung und Therapie einer Anämie meistens genug Zeit zur Verfügung. Voraussetzung ist jedoch, dass keine Zeit mit einem sofortigen Anämie-Screening verloren geht.
Ob Sie die Abklärung und die Therapie der Anämie (Anämie Präoperativ) selber machen wollen oder lieber ans Spital (Ambulante Anämieabklärung) delegieren, entscheiden natürlich Sie.
Anämie
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Patienten die sich mit einer Anämie einer elektiven Hüft- oder Knieprothesen-Operation unterziehen, haben ein erhöhtes Risiko, eine Bluttransfusion zu erhalten. Wissenschaftlich ist inzwischen unbestritten, dass die Transfusion von Erythrozyten-Konzentraten mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einhergeht. Eine Bluttransfusion ist letztlich eine „Transplantation von Fremdmaterial“ und interagiert auch bei völliger Übereinstimmung aller derzeit messbaren Blutgruppeneigenschaften mit unserem Immunsystem.
Eine Anämie einfach durch eine perioperative Erythrocytentransfusion zu behandeln bezeichnet Prof. Donat Spahn vom USZ inzwischen als „substandard clinical practice“.
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Die WHO definiert aktuell eine Anämie bei erwachsenen, nicht schwangeren Frauen bei einem HB-Gehalt unter 120g/l, bei erwachsenen Männern unter 130g/l.
Die Prävalenz der Anämie variiert sehr stark nach Ländern, Alter und Geschlecht. Eine Metaanalyse von 34 Studien mit 85‘409 Menschen über 65 Jahre zeigte eine Prävalenz der Anämie gemäss den Kriterien der WHO in entwickelten Ländern von 17% in der Bevölkerung und 40% bei hospitalisierten Patienten oder Bewohner von Pflegeheimen.
Eine Analyse unserer eigenen Daten aus dem Jahr 2016 zeigte eine Prävalenz der Anämie bei Hüft- und Knie-TP Patienten von knapp 11% und lag damit deutlich tiefer als in den grossen Studien. In einer kürzlich publizierten Studie mit Empfehlungen zur Abklärung und Therapie einer präoperativen Anämie, wurde von der Expertengruppe empfohlen, den Hb-Grenz¬wert auch bei den Frauen auf 130g/l anzuheben (Munoz, 2017). Bezogen auf diese neue Konsensusempfehlung würde sich die Prävalenz der Anämie bei uns verdoppeln.
Population
Kinder 6 - 59 Monate
Keine Anämie > 110
leicht 100 -109
mittel 70 - 99
schwer < 70
Kinder 5 - 11 Jahre
Keine Anämie > 115
leicht 110 -114
mittel 80 - 109
schwer < 80
Kinder 11 - 14 Jahre
Keine Anämie > 120
leicht 110 -119
mittel 80 - 109
schwer < 80
Nicht schwangere Frauen (> 15J)
Keine Anämie > 120
leicht 110 -119
mittel 80 - 109
schwer < 80
schwangere Frauen
Keine Anämie > 110
leicht 100 -109
mittel 70 - 99
schwer < 70
Männer (> 15J)
Keine Anämie > 130
leicht 110 -129
mittel 80 - 109
schwer <80 -
Die Ursachen einer Anämie sind vielfältig und unter anderem abhängig vom Lebensraum und dem Alter der Patienten. In den Industrienationen ist die Ursache einer Anämie bei über 65jährigen Menschen nach Guralnik
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1/3 nutritiv: Eisenmangel; Folsäuremangel; Vitamin B12 Mangel oder eine Kombination davon
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1/3 nicht nutritiv: Niereninsuffizienz; chronisch-entzündliche Erkrankung oder eine Kombination der beiden
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1/3 unklar
Die Abklärung der Ursache speziell in dieser älteren Patientenpopulation ist nicht nur für die korrekte Therapie zwingend, sondern auch weil das Risiko eines Malignoms hinter einer Anämie mit dem Alter zunimmt.
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Der Entscheid, ob die Therapie einer Fe-Mangel-Anämie po oder iv erfolgen soll, hängt wesentlich vom Zeitfenster bis zum OP-Termin ab. Für eine perorale Therapie muss mit mindestens 6-8 Wochen gerechnet werden. Die perorale Therapie ist kostengünstig und kann ohne Kontraindikationen entweder mit 40-60mg/d oder 80-100mg jeden zweiten Tag durchgeführt werden. Eine Hb-Kontrolle sollte ca. 4 Wochen vor der geplanten Operation erfolgen um den Effekt der Therapie zu beurteilen.
Stehen weniger wie 6 Wochen bis zur Operation zur Verfügung oder bei ungenügendem Ansprechen auf eine perorale Therapie, empfiehlt sich die intravenöse Fe-Substitution. Dabei ist bereits nach einer Woche mit einem Anstieg um 50% des zu erwartenden Effektes zu rechnen, nach zwei Wochen mit 75% und nach drei Wochen mit dem maximalen Effekt.
Die Berechnung des Fe-Defizites kann entweder nach den Ganzoni Formel oder nach folgender Schätzformel erfolgen:
Hb-Anstieg um 10 g/l benötigt 200mg Eisen netto + 400mg Reserveeisen
Beispiel: Ein Patient mit einer Anämie von 110g/l soll auf einen Wert von 130g/l kommen, damit benötigt er: 2x200mg + 400mg = 800mg Eisen
Welche weiteren Massnahmen gibt es im Patient Blood Management?
Das PBM-Konzept umfasst den ganzen perioperativen Bereich vor, während und nach der Operation.
Präoperativ
Eine Anämie wird immer gesucht und präoperativ behandelt. Störungen der Blutgerinnung werden vor der Operation korrigiert.
Intraoperativ
Der Chirurg wendet minimal invasive Operationstechniken, bei denen es möglichst wenig blutet, an. Er macht eine exakte Blutstillung, die allenfalls mit blutstillenden Medikamenten lokal oder systemisch unterstützt wird.
Postoperativ
Die Toleranz einer Anämie wird von Patient zu Patient individuell beurteilt. Die Erythropoese wird, wenn indiziert, medikamentös gefördert. Erythrocytenkonzentrat wird nicht nach festen Transfusionsgrenzen verabreicht, sondern individuell, nur bei vitaler Gefährdung.
DAS DREI-SÄULEN-KONZEPT DES PBM
Grundsätzlich kann das PBM-Konzept als Ganzes oder in Teilaspekten bei allen Operation angewendet werden. Auf Grund der zeitlichen Dringlichkeit ist die 1. Säule bei Notfalleingriffen selbstredend nur eingeschränkt anwendbar. Zunehmend wird das Konzept heute auch im nicht-operativen Bereich eingesetzt.
Am Spital Zofingen liegt der Hauptfokus aktuell auf den elektiven Operationen, bei denen wir mit einem gesamten, perioperativen Blutverlust von über 800ml rechnen müssen. Es sind dies insbesondere die Hüft- und Knie-Endoprothesen. Darüber hinaus achten wir in allen anderen Bereichen konsequent auf einen individuellen, rationalen Einsatz von Blutprodukten und die konsequente, konservative Therapie der Anämie.
Patient Blood Management ist ein interdisziplinäres Behandlungskonzept. Es entfaltet seine volle Wirkung zum Nutzen der Patienten nur, wenn bereits beim Erstkontakt die Weichen durch den Grundversorger richtig gestellt werden.
Wir sind stolz darauf, dass sich in Zofingen – erstmals in der Schweiz – Hausärzte und Spezialärzte einer ganzen Region, zusammen mit dem Spital Zofingen, gemeinsam am Konzept des Patient Blood Management beteiligen und so zum Wohl der Patienten beitragen.
Weitere Informationen
Flyer
Bitte schreiben Sie uns, damit wir Ihnen den Flyer zustellen können.
Literatur
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Improved outcomes and reduced costs associated with a health-system-wide patient blood management program: a retrospective observational study in four major adult tertiary-care hospitals.
Leahy MF et al.; Transfusion 2017
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Association between intraoperative blood transfusion and mortality and morbidity in patients undergoing noncardiac surgery.
Glance LG et al.; Anesthesiology 2011
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Influence of anaemia and red blood cell transfusion on mortality in high cardiac risk patients undergoing major non-cardiac surgery: a retrospective cohort study.
Feng S et al.; BJA 2017
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Patient-blood-Management. Stand der aktuellen Literatur
Meybohm P et al.; Chirurg 2016
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Patient blood management: the global view
Shander A et al. TRANSFUSION 2016
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Optimales präoperatives Management der Knie- und Hüftgelenksersatz-Operationen unter besonderer Berücksichtigung der Anämie – die Rolle des Hausarztes
Schleiffenbaum B et al.; Praxis 2011
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Kostenanalyse eines Patient-Blood-Management-Konzepts
Kleinerüschkamp AG et al.; Anaesthesist 2016
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Patient Blood Management. Dreisäulenstrategie zur Verbesserung des Outcome durch Vermeidung allogener Blutprodukte.
Gombotz H et al.; Anaesthesist 2013
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The Important Role for Intravenous Iron in Perioperative Patient Blood Management in Major Abdominal Surgery. A Randomized Controlled Trial.
Froessler B et al.; Annals of Surgery 2016
Patient Blood Management
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