Blog

Mit vereinten Kräften gegen infizierte Implantate

15. Februar 2022

Um das Risiko von Infektionen nach einer Gelenkersatzoperation zu minimieren, empfehlen Orthopädinnen und Orthopäden einen präventiven Zahnarztbesuch, um potenzielle Bakterienherde im Mundraum zu identifizieren und zu behandeln. Dieser Schritt ist entscheidend, da Bakterien von dort über den Blutkreislauf zu Prothesen gelangen und schwerwiegende Infektionen verursachen können. Das KSA setzt auf hohe Präventionsstandards und bietet eine spezialisierte, interdisziplinäre Behandlung bei implantat-assoziierten Infektionen an, um optimale Ergebnisse zu erzielen und die Notwendigkeit zusätzlicher Operationen zu reduzieren.

  • Autor / Autorin PD Dr. med. Anna Conen, MSc
  • Lesedauer ca. 2 Minuten
  • Themen Infektionskrankheiten Bewegung
Teilen

Bei Ihnen steht eine Gelenkersatzoperation an und Ihr Knie- oder Hüftchirurg schickt Sie vorher prophylaktisch zum Zahnarzt? Wundern Sie sich nicht; dies zeugt von der Kompetenz Ihrer Orthopädin. Ist mit den Zähnen alles in Ordnung, sinkt das Infektionsrisiko, das nach dem Einbau eines künstlichen Knie- oder Hüftgelenks (Prothese) besteht: Hat sich nämlich aufgrund eines Zahnproblems eine Infektion mit Bakterien im Mund- und Rachenraum gebildet, könnte diese via Blutkreislauf zur Prothese gelangen und dort zu einer Infektion der Prothese führen. In solchen Fällen sind zusätzliche Operationen, manchmal sogar ein Wechsel der Prothese, notwendig und eine langwierige Behandlung steht an.

Bakterien mögen Metall 

Infektionen gehören zu den häufigsten Komplikationen nach einer Operation. Eine Infektion von Implantaten, also Prothesen, Platten, Schrauben, Nägeln, die bei der Versorgung von Knochenbrüchen verwendet werden, ist meist durch Bakterien der eigenen Hautflora verursacht, die während der Operation auf die Implantate gelangen können. Bakterien können aber auch Jahre nach der Gelenks- oder Knochenbruchoperation über den Blutkreislauf zum Implantat gelangen – ausgehend von Infektionsherden im Mund- und Rachenraum, der Harnwege, Haut oder Lunge.

Sind die Bakterien erst einmal beim Implantat angekommen, heften sie sich an dessen Oberfläche und bilden dort eine dünne Schleimschicht – einen sogenannten Biofilm –, der die Bakterien vor Angriffen des Immunsystems und vor Antibiotika schützt. Schreitet eine Infektion unkontrolliert voran, droht eine Abszessbildung oder Knocheninfektion, die unbehandelt bis zur Amputation führen kann. Ausserdem kann es bei aggressiven Bakterien zu einer Blutvergiftung mit Streuung der Bakterien in andere Organe kommen.

Infektionen nach dem Einbringen einer Prothese sind zum Glück selten. Sie betreffen 1–3 Prozent der in der Schweiz eingesetzten Hüft- und Knieprothesen. Die hohen Standards der Infektionsprävention im KSA und eine entsprechende Antibiotika-Prophylaxe vor der Operation verhindern in der Regel eine Infektion. Verursacht eine Prothese oder Metallplatte dennoch Probleme, ist eine interdisziplinäre Beratung und Behandlung durch ein Team aus Infektiologinnen und Orthopäden zu empfehlen. Fehlt unfallbedingt oder durch vorgängige Operationen Weichteilgewebe wie Muskeln oder Haut zur Abdeckung der Wunde oder sind Blutgefässe beschädigt, werden die Fachgebiete der Plastischen Chirurgie und Gefässchirurgie ebenfalls in die Behandlung miteinbezogen. Im KSA werden Patientinnen und Patienten im neuen Zentrum für muskuloskelettale und implantat-assoziierte Infektionen mit Fachärztinnen und -ärzten der Klinik für Orthopädie und Traumatologie des Universitätsspitals Basel behandelt.

Klinische Studien belegen, dass eine interdisziplinäre Behandlung implantat-assoziierter Infektionen zu deutlich verbesserten Ergebnissen führt. PD Dr. med. Anna Conen fügt folgendes hinzu: «Wir verkürzen dadurch die Spitalaufenthaltsdauer betroffener Patienten und Patientinnen, verhindern zusätzliche Operationen, können in ausgewählten Fällen den Erhalt eines Implantats ermöglichen und verringern den Antibiotika-Verbrauch».

Die Behandlungsoptionen

Wird die Infektion in einem frühen Stadium festgestellt, ist eine erfolgreiche Behandlung ohne Austausch der kompletten Prothese oder des Implantats möglich, da erst ein unreifer Biofilm vorliegt. In diesem Fall können durch eine Operation das entzündete Gewebe um das Implantat entfernt, die Wunde gespült und gereinigt sowie austauschbare Komponenten der Prothese ausgewechselt werden. Die während der Operation entnommenen Gewebeproben werden im Anschluss im Labor untersucht und die auslösenden Bakterien identifiziert. Diese Bakterien können dann gezielt mit Antibiotika behandelt werden.

Ist die Infektion bereits zu weit vorangeschritten und der Biofilm schon so ausgereift, dass er sich nicht mehr antibiotisch beseitigen lässt, ist ein Wechsel des gesamten Implantats nötig. Das kann entweder in einer einzigen Operation erfolgen oder in einem sogenannten zweizeitigen Verfahren. Bei Letzterem wird das Implantat in einer ersten Operation entfernt und durch einen antibiotika- und zementhaltigen Platzhalter ersetzt. Das neue Implantat wird dann nach rund zwei Wochen in einer zweiten Operation eingesetzt, wobei während dieser zwei Wochen bereits eine antibiotische Behandlung erfolgt ist.

Mit diesen Behandlungskonzepten wird die Infektion in mehr als 90 Prozent aller Fälle zur Ausheilung gebracht. Das jeweilige optimale Vorgehen wird individuell für jede Patientin und jeden Patienten im Rahmen von Fallvorstellungen in wöchentlich stattfindenden Konferenzen zwischen den Spezialistinnen und Spezialisten in Aarau und Basel besprochen und festgelegt. Das neue Zentrum für muskuloskelettale und implantat-assoziierte Infektionen in Aarau gehört zu den wenigen ausgewählten Zentren in der Schweiz, die eine interdisziplinäre Behandlung solcher Infektionen in dieser Form anbieten.

Zentrum für muskuloskelettale und implantat-assoziierte Infektionen

Autor / Autorin